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Afrika keine weiteren Anpassungsprogramme vorschreiben

Helmut SCHOLZ

Die Ergebnisse des Afrika-Gipfels der G20 in Berlin sind nach Ansicht des Europaabgeordneten Helmut Scholz (GUE/NGL) von einer besonderen Selbsteinschätzung des gastgebenden Finanzministeriums von Wolfgang Schäuble geprägt. „‘Und es mag am deutschen Wesen einmal noch die Welt genesen‘, um es mit dem Dichter Geibel zu sagen." Im ‚Compact with Africa‘ haben die deutschen Finanzer ein Rezeptbuch geschrieben, wie Länder niedrigen Einkommens in Afrika ein positives Investitionsklima schaffen, ihr Steuerwesen reformieren und öffentliche Unternehmen endlich wirtschaftlich agieren lassen könnten. Befremdet waren die Beamten zum Beispiel von der Feststellung, dass viele staatliche Energie- oder Wasserversorgungsunternehmen ein Preissystem haben, das Einnahmen unter den eigenen Betriebskosten generiert.

Wer zu gewissen strukturellen Anpassungsmaßnahmen bereit ist, dem wird zusätzliche finanzielle Unterstützung aus Sonderfonds Deutschlands und der G20 in Aussicht gestellt.Ich begrüße es, dass die Bundesregierung die Lage auf dem afrikanischen Kontinent zu einem Hauptthema ihrer G20-Präsidentschaft gemacht hat. Doch mit dieser Initiative werden die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen afrikanischer Staaten zu den Industriestaaten des Nordens nicht reformiert und auf eine faire und kooperative Basis gestellt, so der Berichterstatter des Europaparlaments für das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC).Stattdessen verhält sich Herr Schäuble wie gegenüber Griechenland und versucht, einige afrikanische Staaten ein wenig mehr wie CDU-Deutschland denken zu lassen. Nicht berücksichtigt wurde in seiner Analyse zum Beispiel, welche Preise die Kunden für sauberes Wasser bezahlen können und welche Kostenvorteile Zugang zu sauberem Wasser dann wieder im Gesundheitswesen bedeutet“, kritisiert Scholz. „Aus meiner Sicht können Subventionierungen von zentralen öffentlichen Versorgungsgütern sehr wichtig sein. Das galt und gilt auch für europäische Staaten."

 

Helmut Scholz weiter: „Die These der Kanzlerin ist richtig, dass inklusive wirtschaftliche Entwicklung die Not lindern kann, aus der heraus sich viele Menschen gezwungen sehen, ihre Heimat zu verlassen. Die Länder, die in Berlin als potentielle Kooperationspartner eingeladen waren, mussten jedoch Länder sein, die bereits ein bestimmtes ökonomisches Stabilitätsniveau erreicht haben, um verlangte Reformen überhaupt umsetzen zu können. Darunter ist jedoch kein einziges der Länder, aus denen die Menschen sich derzeit zur Flucht gezwungen sehen. Keine Mittel wurden genannt, die sofort eingesetzt werden können, um Millionen Menschen vor der akuten Bedrohung retten zu können, an Hunger zu sterben. Der Rüstungsetat und Gelder zur Abwehr von Flüchtlingen sollen jedoch erhöht werden.“

Der Koordinator der Linksfraktion im Handelsausschuss des Europaparlaments (INTA) befürchtet, dass die vorrangige Ausrichtung auf private Investitionen in afrikanischen Staaten bei gleichzeitigem Senken der Ausgaben für staatliches Engagement erneut allein im Interesse der Wirtschaft aus dem Norden erfolgt. „Es geht bei dieser Infrastrukturförderung um Aufträge für Baufirmen aus Deutschland und ein paar anderen Industriestaaten“, stellt Scholz klar. „Wichtig wäre es dagegen beispielsweise, das System der sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU endlich durch Verträge auf Grundlage von Gleichberechtigung und gegenseitigem Vorteil zu ersetzen. Die EPAs führen mit ihrer vorrangigen Orientierung auf gegenseitige Marktöffnung in den Staaten des Globalen Südens dazu, dass der Schutz für den Aufbau nationaler Wirtschaftsstrukturen weiter unterhöhlt und somit die ohnehin schon übermächtige Konkurrenz aus der EU noch weiter verstärkt wird.“

Erst dieser Tage hatten sich mit Tansania und Nigeria erneut afrikanische Staaten ausdrücklich gegen solche Abkommen ausgesprochen, die Länder des Südens leider zu oft auch künftig auf die Rolle des Lieferanten von Rohstoffen und gering verarbeiteten Gütern reduzieren und keine verbindlich einklagbaren Instrumente zur Durchsetzung sozialer, menschen- und umweltrechtlicher Standards beinhalten. Vor diesem Hintergrund kritisiert Scholz die Bundesregierung: „Auch die Bundesregierung verweigert, wie viele andere europäische G20-Staaten im EU-Rat, noch immer ein Vorankommen bei der Festlegung verbindlicher Maßnahmen für den so dringend notwendigen Umbau von freiem zu Fairem Handel und Unterstützung eigenständiger wirtschaftlicher Entwicklung der Länder in Afrika. Hier gilt es Mittel einzusetzen - nicht bei der Abschottung der Industriestaaten gegen die Migration.“

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