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Martinas Woche 12_2020: Europa muss umdenken! Solidarität.

Corona: Politik, Parlamente & Alltag - Menschen auf der Flucht - Solidarität

Team Michels in der Video-Arbeitsberatung
Bergamo. Die Toten werden aus der Stadt gefahren...

Genau heute vor vier Jahren erlebten wir das zweite Mal eine Art Ausnahmezustand. Der erste überraschte uns in Diyarbakır am 12. Oktober 2015, als Aussperrungen nicht nur die Innenstadt belasteten, sondern auch viele Stadtviertel abgeriegelt waren, Tiefflieger Angriffe flogen, doch Mitteleuropa sich kaum für diese Zuspitzungen im Südosten der Türkei interessierte. Der zweite Ausnahmezustand traf alle in Brüssel lebenden und arbeitende Menschen am 22. März 2016. Die terroristischen Anschläge am Flughafen Brüssel-Zaventem und am U-Bahnhof Maalbeek/Maelbeek legten für einen Moment das öffentliche Leben lahm. Die Nachwirkungen, nicht zuletzt für Pendler*innen wie uns sehr spürbar, reichten bis in den Juni 2016 und eigentlich sogar bis heute, da noch immer schwer bewaffnete Militärs vor offiziellen Brüsseler Gebäuden Wache schieben, durch städtische Parks patrouillieren oder in den U-Bahnen mitfahren. Auch die Alarmbereitschaft in den EP-Räumlichkeiten steht nach wie vor unverändert auf "gelb". Doch die akuten terroristischen Bedrohungen endeten, ehe unsere Psyche ihnen irgend so etwas wie Tiefe oder gar Anpassung entgegenbrachte.

Es war irgendwann alles wie bisher. Bis auf ein paar hochgesetzte Sicherheitsbestimmungen beim Betreten der Gebäude der EU-Institutionen schien der Alltag und die Welt dieselbe.

Mittagspause während des Homeoffice

Mit dem Corona-Virus scheint dies anders zu werden. Die Welt wird nach und mit Corona nicht mehr dieselbe sein. Die Pandemie ist kein allein virologisch-epidemisches Phänomen für das wir einen erprobten Instrumentenkasten öffnen, um die Lage zu managen. Die Pandemie verursacht schon jetzt grauenvolle Folgen für kaputtgesparte Gesundheitssysteme. Die Bilder der Armeekonvois, die die Toten aus dem Italienischen Bergamo in andere Landesteile in die Krematorien bringen, tun so unendlich weh. Ein unbekannter Virus hat schon jetzt Auswirkungen auf die Organisation der politischen Steuerungen, bringt plötzlich längst überfällige wirtschaftliche Investitionen in Gang.

Eventuell erleben wir eine sich anders entwickelnde Globalisierung? 

Wertschöpfungsketten werden wieder stärker regionalisiert. Im besten Fall wird internationaler Zusammenhalt neu gedacht, jenseits des Marktes, der doch angeblich alles selbst reguliert. Gerade schlägt die Stunde der Regierungsentscheidungen, auch in der EU, während noch relativ offen ist wie die parlamentarische Kontrolle organisiert wird.

Was in all dem realen Regelungsbedarf untergeht, ist die ausbleibende dringende Evakuierung von Menschen auf der Flucht an den EU-Grenzen, in den Hotspots, die wie in Moria dicht gedrängt - von Feuer und vom Virus gleichermaßen - bedroht sind. Und Erdbeben, wie in Zagreb, scheinen es kaum noch in die Nachrichten zu schaffen.

 

Virus versus europäische Schuldenbremse: EZB reagiert zuerst

Shutdown - Die kleine Cafés schließen europaweit

„Die deutsche und europäische Politik hat inzwischen verstanden, wie groß die gesundheitlichen Gefahren insbesondere für die Risikogruppen sind, die vom Corona-Virus ausgehen. Die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Implikationen des von ihr ausgelösten Stillstandes der Wirtschaft, scheinen dagegen weniger klar gesehen zu werden. Bezeichnend ist, dass Angela Merkel in ihrer Ansprache an das deutsche Volk, in der sie nach ihren eigenen Worten versuchte, die Krise zu erklären, weder die wirtschaftlichen noch die europäischen Implikationen erwähnte“, beginnt Heiner Flassbeck einen aktuellen Aufsatz in Macroskop unter dem Titel „Der Corona-Schock“. Nun, die wirtschaftlichen und sozialen Investitionen wurden von Scholz u. a. vorgestellt. Entscheidend an Flassbecks Prognosen erscheint uns, dass er einen völligen Richtungswechsel in der europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik fordert: „Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Verbindung mit diesem Defizit ergäbe ein Hochschnellen der Schuldenquote von ungefähr 60 Prozent im vergangenen Jahr auf dann weit über 80 Prozent. Das ist jedoch vollkommen belanglos. Nach der Krise müssen auf jeden Fall die Schuldenbremse im Grundgesetz und die Regelungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in der EWU vollständig revidiert werden, so dass nicht für viele Jahre danach neue staatliche Sparpolitik gefordert und erwartet wird.“

Ein klares Signal kam von der EZB. Lagarde legt mit einem Kreditrahmen von 750 Mrd. Euro einen außerordentliches finanzielles Stützungsprogramm der europäischen Volkswirtschaften vor, was sich mit weiteren Programmen auf ein Stütungsvolumen von über 1,1 Billionen Euro summiert.

 

EU-Gesundheits- und Innenminister telefonieren täglich - EU koordiniert wie so oft zögerlich - Das Parlament bereitet die nächste Sitzung vor

Die Mitgliedstaaten machen was sie wollen oder besser müssen, so hat man den Eindruck und es rächt sich einmal mehr, dass z. B. auch die Gesundheitspolitik reine Ländersache ist, obwohl Corona so wie Daten und das Klima nicht vor Kontinenten halt macht. Unser Fraktionsvorsitzender, Martin Schirdewan, hat hier als Abgeordneter schon im Februar eine aufregende Publikation veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass das Kaputtsparen des Gesundheitssystem in den Mitgliedstaaten auch von der EU forciert wurde. Wir hoffen daher sehr, dass alle Politik jenseits der Soforthilfen, endlich lernend und umsteuernd alles auf den Prüfstand stellt, was unsere Gesellschaften schon längst - vor Corona - erhitzt hat. Dazu gab ttt an diesem Sonntag, den 22.3.2020, anregende Hinweise. Ein Blick in die ARD-Mediathek lohnt also allemal.

Nun entsteht genau, wie in den Mitgliedstaaten, eine Frage, die erstaunlicherweise gar nicht so viele derzeit zuerst diskutieren. Doch für unsere Abgeordneten ist sie essentiell. Wie organisieren wir parlamentarische Mitbestimmung, Abstimmungen, und damit letztlich Gesetzgebungen in Zeiten des #physicalDistancing, in Zeiten des Abstandsgebots, letztlich keiner Anreisemöglichkeiten nach Brüssel oder Straßburg? Diese Frage werden wir erschöpfend in der nächsten Woche beantworten. Derzeit werden neue Formen der Abstimmung geprüft, sowohl für die Arbeit in den Ausschüssen, als auch im Plenum. Doch sie müssen eineindeutig sein, auch wenn sie digital übermittelt werden.

 

Die Flüchtenden auf den griechischen Inseln evakuieren!

Wir haben es schon in der letzten Woche gefordert. Grundrechte gelten für alle. Der Virus wird die Ärmsten zuerst treffen, die, die schutzlos und medial im Moment vergessen werden. "Deutschland hatte mit seinem "Resettlement Programm" seit dem Jahr 2012 jährlich aus humanitären Gründen 5.000 Geflüchtete Syrer aus der Türkei oder dem Libanon aufgenommen. Jetzt hat das Bundesministerium des Innern, wie zuvor schon das UNHCR und das IOM beschlossen wegen der "Korona-Krise" die Flüchtlingfsaufnahme auszusetzen. Damit werden diese Menschen Opfer einer inhumanen Politik und Artikel 16a des Grundgesetzes ist ja sowie so irgendwie abgeschafft", schrieb Klaus-Jürgen Dahler, Kommunalpolitiker aus Berlin-Marzahn, Anwalt für Menschen auf der Flucht, in dieser Woche auf Facebook.

Deshalb: Unterstützt sichere Fluchtwege, wo immer es geht. Im Lockdown spenden, ist immer eine Möglichkeiten, denen, die vor Ort sind, Unterstützung zu geben. Der "Stand by me Lesvos"-Gruppe könnt ihr spenden: Die Spende geht an Stand by me Lesvos     

Piraeus Bank

Account No: 5709086466501

IBAN GR4201727090005709086466501

SWIFT-BIC PIRBGRAA

 

Sofortmaßnahmen nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie

Unsere Mitarbeiterin aus dem Team Michels, Nora Schüttpelz, hat sich hingesetzt und das Homeoffice trotz paralleler Kinderbetreuung genutzt und uns zusammengestellt, was inzwischen in der EU-Regionalpolitik auf den Weg gebracht wurde, um zumindest erste Pufferungen zu den unklaren Folgen der Corona-Krise zu initiieren. Ihr findet auch Vieles auf unserer Fördermittel-Homepage, von veränderten Antragsfristen bis zu neuen Förderprogrammen ist dort alles aktuell eingestellt.

 

Die kleinen Cafés müssen schließen - Shutdown.

Corona - Was wir alles erfinden, wie wir uns solidarisieren

Wie überstehen wir einen Lockdown, ein heruntergefahrenes öffentliches Leben? Für manche ist es eine Frage des Verlustes, weil sie nicht ins Kino gehen können, nicht ins Theater, nicht ins Konzert. Andere haben auch zu Hause kaum Schutz vor ihren Problemen und wieder andere haben gar kein zu Hause. Und viele wissen, dass die, die Musik machen, auf der Bühne stehen, lesen, schreiben, uns durch fremde Städte geleiten oder übersetzen gerade nicht wissen, wie die die nächste Miete bezahlen sollen. 

Inzwischen gibt es diverse online-Formate für Konzerte ohne Publikum, Stadtführungen online, genau wie den Unterricht in der Schule, die Konferenzdebatte im Chat. Eigentlich wollten wir für diese Ausgabe von Martinas Woche einiges sammeln, doch es ist inzwischen so viel, dass wir eher den Tipp geben: Macht euch auf die Suche. Das Netz ist voller Museumsrundgänge, Konzerte, LesungenStadtführungen, Klubkultur, alles digital, vieles auf Spendenbasis. Auch die Hilfen für die vielen Solo-Selbständigen kommen ins Rollen. Von Zuschüssen in den Ländern bis zu Krediten für größere Unternehmen, es wird Möglichkeiten des Ausgleichs geben, doch keinen Ersatz für das, was unsere kulturelle Kommunikation im Alltag ausmacht.

Wir sind hier alle Lernende und bestimmt können wir manch neue Idee mitnehmen in eine Zeit, in der wir das Virus besiegt haben, denn genau das tun wir jeden Tag: Gemeinsam, mit zwei Metern Abstand von Mensch zu Mensch und viel Solidarität untereinander, in neuen Formen. Wer dies nicht kann, Abstand halten, sind Krankenschwestern und Pfleger, Verkäuferinnen und Lagerarbeiter, Menschen, die gerade statt Röcke, Atemmasken nähen, Krankenwagen fahren, an Telefonen Fragen beantworten. Sie wollen eigentlich nicht, dass wir klatschen, sondern sie in ihren Arbeitskämpfen unterstützen.

Unsere Abgeordneten

Aktuelle Link-Tipps

  • Begleitung der Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie
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