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Martinas Woche 26_2022: Europapolitik zwischen Strategie, Reparaturbetrieb und fragwürdiger Prioritätensetzung

Hitzewelle und Klima – Melilla und Migrationspolitik – Konvent und Zukunft der EU – Digitale Märkte – Regionalpolitik – NATO-Gipfel – Fraktionsvorstand tagt – Fraktionsführung mit neuer Verantwortung

Europabrücke zwischen Straßburg und Kehl

Das Europaparlament tagt ab heute in Straßburg. In der Juli-Sitzung, der letzten vor der Sommerpause 2022, stehen viele grundsätzliche Themen auf der Tagesordnung: Klimawandel, Digitalisierung, Migration und Energiepolitik.

Unser Fraktionsvorsitzender Martin Schirdewan fuhr vergangene Woche zur Vorstandssitzung von THE LEFT nach Pamplona. Doch erstmalig saß er dort auch in neuer Verantwortung, denn er wurde am 25. Juni 2022 in Erfurt zum Co-Parteivorsitzenden der LINKEN in Deutschland gewählt. Wir sind überzeugt davon, dass die Krise der LINKEN in Deutschland mir einer ausgewiesenen europäischen Perspektive sicher und nachhaltiger angepackt wird.

 

Fraktionsvorstand tagte in Pamplona – Fraktionsführung in neuer Verantwortung

Martina Michels in Pamplona, 28.06.2022.jpg

In der vergangenen Woche fuhr Martina nach Pamplona. Gemeinsam mit dem Vorstand der linken Fraktion im Europäischen Parlament debattierten die Sprecher*innen der Delegationen die strategischen Vorhaben der Fraktion, sei es der Kampf gegen Energiearmut, die Verfasstheit der EU nach der Zukunftskonferenz, die EU-Politik nach der Pandemie und vor Energiekrise und Inflation angesichts des Krieges in der Ukraine. Nicht nur aktuell, auch mit Blick auf die Europawahlen 2024, müssen sich linke Parteien europäischer aufstellen.

DIE LINKE in Deutschland wählte am 25. Juni 2022 Martin Schirdewan, unseren Fraktionsvorsitzenden, zu ihrem neuen Co-Vorsitzenden. Dies ist schon formell ein Zeichen, dass die europäische Kooperation bei der linken Politikentwicklung eine größere Rolle spielen kann. So in etwa klangen auch die Wünsche der anderen Delegationen unserer Fraktion an Martin Schirdewan in dieser neuen Verantwortung. Denn DIE LINKE war lange eine stabile Größe in der linken Europapolitik, drohte jedoch in den letzten Jahren ihre eigenen Organisationsprobleme als lernende moderne sozialistische Gerechtigkeitspartei nicht lösen zu können und verlor dadurch in Deutschland an Zustimmung. Der reale Aufbruch beginnt natürlich nicht in Parteitagssesseln, sondern vor Ort in den Kommunen, in den Ländern, im Bundestag und eben auch in der europäischen Dimension linker Politik. Dazu wird die deutsche Delegation der LINKEN in Brüssel ihren Beitrag leisten, so viel steht fest. Wir sind stolz, dass der Parteitag Martin das Vertrauen als Co-Parteivorsitzender neben Janine Wissler ausgesprochen hat.

 

Vorausschau auf die Plenardebatten in Straßburg

Plenardebatte am 7. Juli „Hitzewelle und Dürre in der EU“

„Klimaschutz ist kein Luxus“, sagte Martina angesichts der aktuell aufgesetzten Debatte im Plenum in Straßburg. Am kommenden Donnerstag gegen 10.30 Uhr steht die aktuelle Hitzewelle im Fokus der Plenardebatten. Doch die momentanen Temperaturen und die Trockenheit sind einmal mehr auch Ausdruck einer verschleppten nachhaltigen Klimapolitik. „Der voranschreitende Klimawandel verstärkt Hitzewellen und extreme Trockenheit Jahr für Jahr. Das hat verheerende Folgen nicht nur in Europa. Doch viele der Hauptverursacher, die Raubbau an der Natur betreiben, Arbeitnehmer*innen ausbeuten und mit Preistreiberei unverschämte Gewinne einstecken, sitzen in der EU. Klimaschutz und die Umstellung auf erneuerbare Energien müssen deshalb ganz oben auf der EU-Agenda stehen.“, so Martina Michels in Vorbereitung auf das Plenum. „Vor allem die Hauptverursacher müssen zur Verantwortung gezogen werden – mit Übergewinnsteuern, mit Verpflichtungen auf wirksame Ausgleichsmaßnahmen, mit klaren Umweltauflagen und der Umstellung auf erneuerbare Energien. Wir brauchen außerdem eine Politik zur Anpassung an den Klimawandel. Dazu muss die EU den Regionen und Kommunen mehr Geld geben, um ihnen zu helfen, sich gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu wappnen. Der Umfang und die Struktur des Solidaritätsfonds reichen dafür längst nicht mehr aus.“

 

Migration und Flucht

Neben der schon vorgestellten Plenardebatte zur Hitzewelle in Europa, steht natürlich das Drama in Melilla an der marokkanisch-spanischen Grenze auf der Tagesordnung in Straßburg. Menschen, die internationalen Schutz suchen, brauchen sichere Fluchtwege, faire Verfahren und Perspektiven. Noch immer warten wir auf eine vernünftige Migrationspolitik statt einer wachsenden Abwehr von Geflüchteten, der Kriminalisierung von Hilfsorganisationen und der Aussetzung von Seenotrettung und internationalem Recht. Am Montag, gegen 18 Uhr, wird sich das Europaparlament mit der Lage an den EU-Außengrenzen beschäftigen und ganz sicher seine Forderungen, die seit Dezember 2017 auf dem Tisch liegen, aktualisieren und vom Europäischen Rat fordern, dass dieser sich endlich bewegt.

 

Martin Schirdewan

Digitale Dienstleistungen und Märkte regeln

Ebenfalls am Montag startet die letzte Debatte vor der Abstimmung zum Gesetz über digitale Dienste (DSA) und zum Digitalen Märkte-Gesetz (DMA)

„Die EU hat mehr als zehn Jahre tatenlos zugesehen, wie Facebook, Google und Co. den digitalen Markt nach ihren Profitinteressen ausgerichtet haben. Das Gesetzespaket über digitale Dienste (DSA) und digitale Märkte (DMA) macht einen Megaschritt, endlich das Internet aufzuräumen, digitale Monopole zu bekämpfen und eine sichere Onlinewelt für Nutzer*innen zu schaffen.“, sagt unser Fraktionsvorsitzender Martin Schirdewan, der im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz letztlich dieses Gesetzespaket bearbeitete. Immerhin wird es ein Verbot personalisierter Werbung bei Minderjährigen und ein Verbot der Nutzung sensibler Daten geben. Auch eine lange geforderte „Vision“, dass man endlich auch frei kommunizieren kann, egal welchen Messaging-Dienst man individuell nutzt, soll endlich angegangen werden. „Durch die App-übergreifende Kommunikation werden Nutzer*innen keine fünf Messenger-Apps mehr auf dem Handy benötigen und gleichzeitig wird WhatsApp die Monopolstellung streitig gemacht.“, kommentiert Martin Schirdewan diese Vorgabe. Entscheidend wird es jedoch, wie konsequent die Mitgliedstaaten die neuen Gesetzespakete umsetzen.

 

Taxonomie: Eine Rolle rückwärts beim Green Deal

Eastside-Gallery, Berlin

Am Dienstag, 5. Juli 2022, ab ca. 15.30 Uhr (Abstimmung am Mittwoch, 6. Juli 2022), steht ein abenteuerliches Vorhaben der EU-Kommission zur Debatte und zur Abstimmung: „Die EU-Kommission will Kernenergie und Erdgas in die EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen aufnehmen und droht damit den ‚Green Deal’ und die globalen Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel zu untergraben. Das Europaparlament hat eine echte Chance, genau das zu verhindern und genau deshalb muss der Vorschlag der Kommission von uns Abgeordneten klar zurückgewiesen werden!“, sagt dazu Cornelia Ernst, unsere energiepolitische Sprecherin.

 

Konferenzergebnisse zur Zukunft der EU umsetzen! 

Helmut Scholz, unser verfassungspolitischer Sprecher, verweist in der Plenarvorschau auf den Tagesordnungspunkt „Schlussfolgerungen des Gipfels des Europäischen Rats“ am Mittwochvormittag ab 10.30 Uhr: „Auf der Tagesordnung des Gipfels hätte eigentlich auch der Beschluss über die Einberufung eines Konvents zur Änderung der EU-Verträge stehen sollen. So hatte es Präsident Macron zum würdevollen Abschluss der Konferenz über die Zukunft Europas und der Ratspräsidentschaft Frankreichs versprochen. Doch der Rat war zu verzagt und ignorierte letzte Woche die formell laut Artikel 48 auf den Weg gebrachte Forderung des Europaparlaments zur Änderung der Verträge.“ Helmut Scholz hält die Konventsforderung aufrecht und erwartet zu Recht, dass die tschechische Ratspräsidentschaft hier Nägel mit Köpfen macht. „Die EU braucht eine soziale, ökologische, demokratische und strukturelle Modernisierung, nicht zuletzt um fähig zu werden, auch neue Mitglieder aufzunehmen.“, so sein Fazit.

 

Ein Wort zum Nato-Gipfel und den Prioritätensetzungen in der EU-Politik

„Auch die EU hat sich mittlerweile voll und ganz dem Ziel verschrieben, sich für die ‚Rückkehr der Machtpolitik‘ zu rüsten, wie unter anderem ein kürzlich verabschiedetes EU-Grundsatzdokument, der Strategische Kompass, die Zielrichtung vorgibt. Schaut man auf diverse Seiten von NATO und Bundesregierung findet sich häufig der Slogan ‚Stärke und Dialog‘. Es ist dringend notwendig, dass in den Dialog endlich wenigstens ein Bruchteil der Anstrengungen investiert wird wie in die Aufrüstung von NATO und EU, die derzeit alles dominiert.“, schreibt Özlem Demirel in Auswertung des NATO-Gipfels.

Die neue Aufrüstungspolitik in der EU und in den Mitgliedstaaten ist eine abenteuerliche Antwort auf den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. Ganz klar, man muss über die Verteidigungsfähigkeit – auch aus linker Perspektive – diskutieren und klare Projekte zur Rüstungsbegrenzung und Abrüstung aufrechterhalten, vorschlagen und um deren Mehrheitsfähigkeit kämpfen. Derzeit sieht man nur, dass Mittel, die dem Kampf gegen den Klimawandel und der sozialen Ungleichheit fehlen werden, für eine neue Spirale der Aufrüstung und Abschreckung eingesetzt werden sollen. Nur inwieweit verstärken wir internationale Konflikte, wenn wir dem Klimawandel nicht begegnen, wenn wir soziale Ungleichheit im Innern der EU und global weiter festschreiben? All dem, muss sich europäische Politik stellen, statt die Weichen immer weiter in Richtung Aufrüstung zu verschieben.

Und noch ein Wort zum NATO-Gipfel und der Rolle der Türkei. Erstmalig erleben wir einen verhandlungsfesten Freifahrtschein für Erdoğans Repressionspolitik im Innern, seine Verfolgung von HDP-Mitgliedern, Journalist*innen und politischer Opposition aus der Zivilgesellschaft. Das alles, um sein Veto gegen die NATO-Mitgliedschaft von Finnland und Schweden zu brechen. Dieser Output auf dem NATO-Gipfel ist unfassbar! Schon jetzt wurde das Wegschauen bei den nächsten Aggressionen der Türkei in Nordsyrien beschlossen. Dem werden sich Linke und Demokrat*innen weltweit nicht beugen und dagegen ihre politische Stimme und hörbaren Protest anmelden.

 

Regionalpolitik zwischen Strategie und Reparaturmodus

Die Sterne der EU, Skulptur unweit des Parlaments in Straßburg

In den umfangreichen REGI-News vom Monat Juni 2022 entwickeln Martina Michels und Nora Schüttpelz eine sehr grundsätzliche Fragestellung zur Funktion und Gewichtung der europäischen Regionalpolitik. Sind die politischen Vertreter*innen in der EU fähig, der Struktur- und Regionalpolitik, ausgerichtet am Green Deal, der Digitalisierung, der Demokratisierung und besonders auch der sozialen Angleichung innerhalb der EU, ein Profil zu geben? Oder droht die Förderpolitik einem dauerhaften Reparaturmodus verhaftet zu bleiben, die auf die mehrfachen Krisen antworten, ohne nachhaltig auch einen Weg aus der Klimakrise, der Inflation, den Folgen der Pandemie und der sozialen Ungleichheit generell zu weisen? Unter diese Prämisse wird dann auch der neue Krisenfonds Fast Care im Bericht zur aktuellen Regionalpolitik beurteilt.

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