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Eröffnungsrede zur 5. Konferenz zum Gedenken an die Opfer des Dersim-Massakers

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste im Europäischen Parlament,

ich darf Sie hier im Namen meiner Fraktion, der Linksfraktion GUE/NGL im EU-Parlament willkommen heißen!  

Viele von Ihnen haben einen weiten Weg auf sich genommen, um hier in Brüssel an dieser Konferenz teilzunehmen. Darüber freue ich mich sehr, denn es zeigt, dass es richtig und wichtig ist, diese Konferenz gemeinsam mit der "Dersim Gesellschaft für Wiederaufbau" zu veranstalten. Wir veranstalten diese Konferenz im Europäischen Parlament nun bereits im 5. Jahr in Folge. Das ist auch ein kleines Jubiläum, und ich freue mich auch, dass die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament sich entschieden hat, die Konferenz mit zu unterstützen.  

Trotz aller guter Nachrichten - der Anlass für diese 5. Konferenz des Erinnerns und der Aufarbeitung des Massakers von Dersim, ist alles andere als freudig. Die Toten und Vertriebenen, das Leid, das den Opfern und Hinterbliebenen zugefügt wurde, mahnen uns zum Erinnern und Gedenken. Als Staatsbürger, die für Demokratie und Menschenrechte eintreten, muss es uns eine Pflicht sein, aus solchen dunklen Kapiteln zu lernen. Das kann ich als Deutscher nur unterstreichen, und auch heute sollten wir uns in Europa in Erinnerung rufen, dass das Projekt der europäischen Integration auf dem größten Menschheitsverbrechen fußt, ausgegangen von deutschem Boden.  

Das Massaker an den Aleviten von Dersim ist mit der Geschichte der modernen Türkei aufs engste verbunden. Es ist ein Verbrechen, das im Namen des Nationalismus und der Assimilierung begangen wurde. Wer heute darüber diskutiert, wie die moderne Türkei im 21. Jahrhundert aussehen soll, über ihre Identität, ihre Verfassung, und die Rechte, die ihre Bürger genießen können - der darf die Opfer, die die türkische Geschichte gefordert hat, nicht vergessen!  

Es gibt keinen Grund, wieso die unterschiedlichen kulturellen und religiösen Identitäten, der in der Türkei lebenden Bürgerinnen und Bürger nicht respektiert werden sollen. Aber sie sollten nicht nur respektiert werden, sie sollten auch als Bereicherung gesehen werden, geschützt und weiterentwickelt werden.  

Fortschritt hat es in der Geschichte immer an Orten gegeben, an denen Menschen unterschiedlichster Herkünfte, Überzeugungen und Religionen zusammengekommen sind. Die Türkei sollte aus meiner Sicht deshalb alles tun, um Aleviten, Juden, Syriaken, Orthodoxe, um Armeniern, Griechen, Arabern, und - nicht zuletzt - um dem kurdischen Volk alle Freiräume und Entwicklungsmöglichkeiten einzugestehen, die von ihnen eingefordert werden.  

Dass Brüderlichkeit und Solidarität zwischen diesen Gemeinschaften möglich ist, hat gerade erst die jüdische Gemeinde bewiesen, indem sie eine Schule im Erdbebengebiet von Van eröffnet hat. Aber auch die BDP hat gezeigt, dass sie an Vielfalt und Multikulturalität glaubt, indem sie es etwa ermöglicht hat, dass mit Erol Dora zum ersten Mal in der Geschichte der Türkei ein assyro-aramäischer Politiker ins türkische Parlament gewählt wurde.  

Es ist sehr bedauerlich, dass die gegenwärtige Regierung diese Leistungen und Bemühungen so gering schätzt. Dass sie stattdessen religiöse Gleichförmigkeit fördert, und das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung ihres Körpers opfern will. Und nicht zuletzt, dass sie die BDP nicht enden wollenden Attacken aussetzt, anstatt ihre Arbeit für Demokratie, Bürgerrechte und Frieden zu fördern.   Nicht zuletzt die erneute Verurteilung von Leyla Zana zu einer 10 jährigen Gefängnisstrafe ist ein katastrophales Zeichen für den Prozess der Demokratisierung. Ich bin optimistisch, dass das Europäische Parlament dem nicht länger zusehen wird.  

Die bisherigen Dersim-Konferenzen im Europäischen Parlament haben bereits ihre Früchte getragen. Die Entschuldigung des Premierministers im November letzten Jahres war auch ein Resultat der Debatten, die wir hier angestoßen haben.  

Führen wir diese Debatte geduldig und beharrlich fort! Ich wünsche Ihnen eine gute Konferenz!

Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL)